"Und ich sehe nichts, nichts als Malerei"
R. Berger

Aus der aktuellen Kulturszene

- Die Dokumenta - Dokument einer Sinnkrise

"Das inflationäre Überangebot der Mittel nährt den Verdacht, die zeitgenössische Bildkunst wisse nicht mehr, wie sie sich verhalten soll und wofür, jenseits des kommerziellen Zwecks, sie eigentlich da ist." Rolf Schneider, 2017

- Tori Amos - Die Natur ist der wunderbarste Lehrer

Ich bin durch North Carolina und Tennessee gereist. [...] Ich habe tatsächlich eine ganz besondere Energie auf dieser Reise gespürt, die von der Natur ausging. Die Felsen, die Flüsse, die Berge – sie alle haben in Chören zu mir gesungen. Natürlich nur metaphorisch gesprochen. Bei dieser Reise ging es darum, die Umgebung wahrzunehmen, auf die Energieflüsse zu achten und darauf zu warten, dass sich diese Energien auch in mir freisetzen, was dann später auch passiert ist.


Zitate von Künstlerinnen

Käthe Kollwitz ( 1867-1945):

Immer habe ich den Eindruck, dass, sobald eine Ausstellung einer Jury unterliegt, damit notwendigerweise Vetternschaft, Laune, Zufälligkeit mitspielen. – Von Gerechtigkeit kann keine Rede sein. Es ist aber die ´Frage, wie weit man in Fragen der Kunst überhaupt mit Gerechtigkeit kommt. Ob es ein Begriff ist, der auf ihrem Gebiet anwendbar ist? [...]


(Aus: BERGER, Renate (Hg.), „Und ich sehe nichts, nichts als Malerei“. Autobiographische Texte von Künstlerinnen des 18.-20.Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1987.)


"Ich will wirken in dieser Zeit."


Paula Modersohn-Becker (1876-1907):

Rilke schrieb einmal, die Gatten hätten die Pflicht, die gegenseitige Einsamkeit gegenseitig zu bewachen. Sind denn das nicht oberflächliche Einsamkeiten, die man bewachen muss? Liegen die wahren Einsamkeiten nicht völlig offen und unbewacht? Und doch dringt keiner zu ihnen, obgleich sie manchmal auf einen warten, um mit ihm durch die Tale und Wiesen Hand in Hand zu wandeln. Aber das Warten ist vielleicht nur Schwäche, und es dient ihr zur Stärke, dass keiner kommt. Denn dieses Alleinewandeln ist gut und zeigt uns manche Tiefen und Untiefen, deren man mit zweien nicht so gewahr würde.
Mir ist es, als ob es wohl schwer wäre, sein Leben gut und groß zu Ende zu führen. Bis jetzt, der Anfang, war leicht.
Nun kommt es wohl schwerer und mit manchem inneren Ringen. Die Netze auswerfen, das tut mancher, aber dann auch einen Fischzug tun! [...]

Diese Einsamkeit macht mich manchmal traurig und manchmal froh. Ich glaube, sie vertieft. Man lebt wenig dem äußeren Schein und der Anerkennung. Man lebt nach innen gewendet.
Und vielleicht ist diese Einsamkeit gut für meine Kunst, vielleicht wachsen ihr in dieser ernsten Stille die Flügel [...]


(Aus: BERGER, Renate (Hg.), „Und ich sehe nichts, nichts als Malerei“. Autobiographische Texte von Künstlerinnen des 18.-20.Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1987.)

 

Teresa Feodorowna Ries (1874/78 - nach 1948):

Sehnsucht nach Welten, um Welten zu geben, war es, was mich von Anbeginn an erfüllte. Ein unwiderstehliches „Muss“ drängte mich zur Gestaltung, in der vollendeten Form erblickte ich Inhalt und Sinn. [...]

Schlaflose Nächte folgten, und in diesen Nächten, die durchzittert waren von Unsicherheit und zaghaftem Tasten zu einem unbestimmten Ziel, erstand vor meinem inneren Auge eine Vision, erst unklar, dann immer lebendiger, bis sie Formen annahm, die ich mit meinen Händen nachbilden konnte: eine Nachtwandlerin! [...]

Meine Liebe zur Kunst, die in diesen wenigen Wochen so reichlich Nahrung erhalten hatte, war allmählich so stark geworden, dass sie mich zeitweise zu überwältigen drohte. Der Drang, mich zu betätigen, künstlerisch zu betätigen, wurde unwiderstehlich. Das dolce far niente, zu dem ich verurteilt schien, ward unerträgliche Qual. Ich sehnte mich danach zu arbeiten, etwas zu schaffen. Immer mehr gewann dieser Wunsch Macht über mich, immer fordernder wurde der Ruf in meinem Innern, und schließlich war mein Plan gefasst: ich wollte malen! [...]


(Aus: BERGER, Renate (Hg.), „Und ich sehe nichts, nichts als Malerei“. Autobiographische Texte von Künstlerinnen des 18.-20.Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1987.)

 

Vally Wygodzinski (1873-1905):

Wer mit seinen Werken heraustritt, hat keine Schonung zu fordern und wird keine erfahren [...]

Ich will kein Künstler sein, ich bin eine Künstlerin, und mein höchster Stolz ist, dass meine Kunst weiblich sei. [...]

Menschen wie ich können nur eine Sünde begehen, die ihnen nie vergeben werden kann; das ist, sich selbst untreu werden. [...]

Ich bin gegen die unverstandenen Menschen misstrauisch geworden. Wohlverstanden gegen die, die es zeigen. Es ist viel Pose [...] darin. – Im letzten, feinsten Sinne wird niemand ganz verstanden, wenn ich dies oft schmerzlich empfinde, ist es mir noch öfter eine Beruhigung [...]

Ich fühle, wie ich es noch nie gefühlt habe, dass ich eine Malerin und hoffentlich auch eine Künstlerin bin. Und ich fühle in mir ein Klingen lauter nie gesungener Melodien. [...] Ich habe mein Wort zu sprechen [...]

Ich verlange gar nicht Anerkennung für das, was ich jetzt leiste, nur Glauben, dass ich nicht ohne Talent bin und in heißem Ringen nach Wahrheit arbeite. Wer mir das abspricht, den muss ich meiden, um so mehr, wenn mir sein Urteil wertvoll ist. [...]

Ich weiß nicht, ob es Naturen gibt, denen ihre Kunst wie ein ruhiges Heim ist, in das sie flüchten, wenn sie der Welt müde sind [...]. ich bin nicht bürgerlich anständig verheiratet mit meiner Malerei, ich habe mich ihr in freier Liebe ergeben. [...]

Mir ist klar geworden, dass es mir durchaus um meine Bildung zu tun ist, so sehr, dass ich ungebildet oder verbildet das Leben nicht ertrage, und wenn es mir all seine Schätze in den Schoß wirft... Denn ich bin nicht dazu geboren, in anderen, und wären es die liebsten Menschen, aufzugehen, entsagend mich aufzugeben und für sie zu leben. So schön das ist und als ein so würdiges Lebensziel ich es erkenne, ich vermag es nicht und soll es nicht, ich würde klein und schlecht dabei. [...]

Ich halte das für die größte Gefahr der Frauenkunst, dass letztere immer und immer wieder das Können und Denken in der Kunst vernachlässigen und sich nur auf das Gefühl stützen wollen. [...]


(Aus: BERGER, Renate (Hg.), „Und ich sehe nichts, nichts als Malerei“. Autobiographische Texte von Künstlerinnen des 18.-20.Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1987.)